Nachzahlungszinsen in Höhe von 6 % p.a. verfassungswidrig – was lange währt, wird endlich gut?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in jüngster Zeit in verschiedenen Entscheidungen erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen für Veranlagungszeiträume ab 2015 festgestellt.

Der BFH begründet seine Entscheidungen mit der mittlerweile realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes. In Zeiten der Hochzinsphase war der gesetzlich festgesetzte Zins in Höhe von 0,5 % pro Monat, d. h. 6,0 % p.a., gerechtfertigt. In der nun bereits seit einem Jahrzehnt währenden und sich damit verfestigten Niedrigzinsphase überschreitet der festgesetzte Zins den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich. Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sind daher diesbezüglich verschiedene Verfahren anhängig.

Aufgrund der jüngsten BFH-Entscheidungen und der anhängigen Verfahren beim BVerfG hat mittlerweile das Bundesministerium für Finanzen (BMF) mit einem Schreiben vom 2. Mai 2019 reagiert. In diesem Schreiben wurde festgelegt, dass bei der erstmaligen Zinsfestsetzung die Bescheide nach § 165 AO vorläufig zu erlassen sind. Dadurch ist ein gesonderter Einspruch gegen diesen Verwaltungsakt nicht mehrerforderlich. Gegebenenfalls ist natürlich ein Einspruch gegen den Bescheid in anderer Hinsicht weiterhin erforderlich, z. B. bei der Nichtberücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen etc. Sollte das BVerfG zu dem Schluss kommen, dass der Zinssatz in Höhe von 6 % p.a. nicht verfassungsgemäß ist, muss die Finanzverwaltung die vorläufige Zinsfestsetzung von sich aus entsprechend ändern. Bezüglich der Nachzahlungszinsen ist diese Regelung daher zu begrüßen.

Allerdings gibt es auch einen Wermutstropfen. Die Finanzverwaltung erstreckt die vorläufige Festsetzung voraussichtlich auch auf Erstattungszinsen. Aus dem BMF-Schreiben ist nicht ersichtlich, dass sich die vorläufige Festsetzung ausschließlichauf Nachzahlungszinsen bezieht. Im Gegenteil: Bei den nun in den Bescheid einzufügenden Erläuterungen heißt es wie folgt: "Abhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte unter Umständen auch eine Aufhebung oder Änderung zu Ihren Ungunsten erfolgen". Wir werden die Rechtslage für Sie weiter im Auge behalten.