Corona-Maßnahmen (Stand 17. März 2020)

Die Corona-Krise betrifft auch immer mehr die Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Vielfach werden einvernehmlich individuelle Regelungen mit den Arbeitnehmern getroffen. Als Grundlage dafür und für die Fälle, in denen keine einvernehmliche Regelung möglich ist, haben wir die rechtliche Einordnung der wichtigsten Fragestellungen für Sie vorgenommen.

Dürfen Arbeitgeber Arbeitnehmer ohne behördliche Anordnung nach Hause schicken?

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch, d. h. sie können nicht grundlos von der Arbeit freigestellt werden. Ein solcher Anspruch ist ausgeschlossen, sofern der Arbeitnehmer eine Gesundheitsgefahr für andere darstellt. Erforderlich ist der konkrete Verdacht einer Gefahr. Dieser wird nur in zwei Fällen angenommen:

  1. Grippeähnliche Symptome und Aufenthalt in einem nationalen/internationalen Risikogebiet (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html)
  2. Grippeähnliche Symptome und Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person

Daneben denkbar sind weitere Fälle wie der bloße Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person ohne eigene Grippesymptome, der bloße Aufenthalt in einem Risikogebiet ohne eigene Symptome oder das Vorliegen von Symptomen nach Kontakt mit einer infektionsverdächtigten Person. Hier ist im Einzelfall zu entscheiden, wobei der Beschäftigungsanspruch überwiegen dürfte.

Daneben denkbar sind Vereinbarungen über Freistellungen und individuelle Regelungen zur Vergütung.

Kann ich als Arbeitgeber meine Arbeitnehmer in Zwangsurlaub schicken?

Zwangsurlaub kann nur in vier Ausnahmefällen angeordnet werden:

  1. Saisonbetrieb
  2. Unternehmen ist nicht betriebsfähig (Bsp.: Arztpraxis)
  3. Unvorhergesehene betriebliche Krise
  4. Regelung im Arbeits-, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung

Bei betrieblichen Krisen reicht nicht jede wirtschaftliche Krise zur Anordnung aus. Insbesondere ist zu prüfen, ob nicht andere Maßnahmen erfolgversprechend sind (Bsp.: Abbau von Zeitguthaben/Überstunden, Kurzarbeit, Änderung von Schichtmodellen, Abbau von Leiharbeitern, Widerruf von Anordnungen zur Mehrarbeit).

Hat mein Arbeitnehmer Anspruch auf Home-Office?

Ein solcher Anspruch besteht nicht, es sei denn, dass dies vertraglich vereinbart wurde.

Wie ist mit Arbeitnehmern zu verfahren, deren Kinder von der Schul- oder Kita-Schließung betroffen sind?

Kann die erforderliche Kinderbetreuung nicht gewährleistet werden, dürfte den Arbeitnehmern in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen, d. h. der Arbeitnehmer ist für die Zeit der Sicherstellung der Kinderbetreuung nicht zur Tätigkeit verpflichtet.

Ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht, sofern die Abwesenheit nur vorübergehend ist (§ 616 BGB). Dies ist wohl anzunehmen, wenn die Abwesenheit eine Dauer von bis zu fünf Tagen nicht überschreitet. Wird dieser Zeitraum überschritten, besteht kein Lohnfortzahlungsanspruch für die vollständige Abwesenheitszeit.

Bitte prüfen Sie, ob die Vorschrift des § 616 BGB arbeits- oder tarifvertraglich abbedungen ist.

Gegen meinen erkrankten Arbeitnehmer wurden behördliche Anordnungen getroffen.

Ist Ihr Arbeitnehmer erkrankt, verdrängen die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) diejenigen des Entgeltfortzahlungsgesetzes.

Zu prüfen ist, ob Ihrem Arbeitnehmer ein Erstattungsanspruch nach § 56 I-III IfSG zusteht. Dies ist der Fall, wenn Ihrem Arbeitnehmer infolge der behördlichen Anordnung ein Lohnfortzahlungsanspruch gegen Ihr Unternehmen nicht zusteht. Ein Fortzahlungsanspruch liegt vor, wenn Ihr Arbeitnehmer nur vorübergehend in seiner Tätigkeit verhindert ist (§ 616 BGB). Dabei ist grundsätzlich eine Sechs-Wochen-Frist als Grenze anzusehen.

Bitte prüfen Sie, ob die Vorschrift des § 616 BGB arbeits- oder tarifvertraglich abbedungen ist.

Sollten behördliche Anordnungen nicht nur gegen individuelle Arbeitnehmer oder Gruppen ausgesprochen worden sein, findet § 616 BGB von Anfang an keine Anwendung, sodass die betroffenen Arbeitnehmer einen Verdienstausfall erleiden. In diesen Fällen steht Ihnen ein Entschädigungsanspruch nach § 56 I-III IfSG zu, der vom Arbeitgeber für einen Zeitraum von sechs Wochen als Zahlstelle auszuzahlen ist. Der Arbeitgeber hat seinerseits einen Erstattungsanspruch gegen die zuständige Behörde (= die Regierung), der innerhalb von drei Monaten nach Einstellung der Tätigkeit oder dem Ende der Quarantäne geltend zu machen ist (s. § 56 XI IfSG).

Gegen meinen gesunden Arbeitnehmer wurden wegen Infektionsverdachts behördliche Anordnungen getroffen.

Sofern der Arbeitnehmer wegen eines Infektionsverdachts eine Anordnung erhalten hat, sollte die Möglichkeit einer Home-Office-Tätigkeit geprüft werden. Ist dies nicht möglich, ist für die Frage des Lohnfortzahlungsanspruchs und mögliche Entschädigungs- bzw. Erstattungsansprüche entscheidend, ob die Anwendung des § 616 BGB abbedungen wurde bzw. ob behördliche Anordnungen nur gegen individuelle Arbeitnehmer oder Gruppen ausgesprochen wurden (s.o.).