EuGH zu „AGG-Hopping“: Scheinbewerbung nicht schutzwürdig

Mit Urteil vom 28. Juli 2016, Az. C-423/15, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass die dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unter anderem zugrunde liegenden EU-Gleichbehandlungsrahmenrichtlinien (RL 2000/78/EG und 2006/54/EG) dahingehend auszulegen sind, dass eine Situation, in der eine Person mit ihrer Stellenbewerbung nicht primär die betreffende Stelle erhalten, sondern vielmehr eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot geltend machen möchte, nicht von den vorgenannten Richtlinien und damit auch nicht von den Vorschriften des AGG geschützt ist.

Zunächst: Was versteht man unter „AGG-Hopping“?

Als „AGG-Hopping“ werden dabei Fälle bezeichnet, in denen ein Stellenbewerber sich nur zum Schein auf eine freie Stelle bewirbt. In Wirklichkeit will der „Bewerber“ diese Stelle gar nicht annehmen, sondern hofft auf eine Absage unter benachteiligenden Umständen. Das eigentliches Ziel des „Bewerbers“ ist es, gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber anschließend eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen.


Das gerichtliche Verfahren und die Entscheidung des EuGH

Im Jahr 2009 bewarb sich der Kläger bei einer Versicherungsgesellschaft um eine als „Trainee“ ausgeschriebene Stelle. Auf seine Bewerbung hin erhielt der Kläger eine Absage, worauf hin dieser Ansprüche wegen Altersdiskriminierung gegen die Beklagte geltend machte (§ 15 Abs. 2 AGG). Die Klage wurde in erster (ArbG Wiesbaden, Urteil vom 20.01.2011, Az. 5 Ca 2491/09) wie auch in zweiter Instanz (LAG Hessen, Urteil vom 16.01.2012, Az. 7 Sa 615/11) abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat das vom Kläger angestrengte Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend zu machen (erste Frage) sowie ob eine solche Situation als Rechtsmissbrauch bewertet werden kann (zweite Frage). Die erste Frage negierte der EuGH, ein solcher „Bewerber“ falle nicht unter den Begriff „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“, die zweite Frage bejahte der EuGH unter dem Verweis des Vorliegens der nach Unionsrecht erforderlichen Tatbestandsmerkmale. Das Verfahren wurde inzwischen an den BGH zur abschließenden Entscheidung zurückgegeben, dessen Urteil klar auf Abweisung der Revision und damit Klageabweisung gezielt sein dürfte.


Fazit

Kann einem Bewerber nachgewiesen werden, dass es ihm zu keiner Zeit um die ausgeschriebene Stelle, sondern um die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen geht, ist dieser nicht von den EU-Gleichbehandlungsrichtlinien und damit auch nicht von den Vorschriften des AGG (§ 6 AGG) geschützt. Im streitgegenständlichen Verfahren war dies ohne Weiteres möglich, nachdem der dortige Kläger bereits bundesweit als „AGG-Hopper“ bekannt war. In der allgemeinen Praxis können die besonderen Umstände einer Bewerbung herangezogen werden, um mögliche „AGG-Hopper“ aufdecken zu können.